Now is the age of anxiety

Proludium

1890 beschreibt Winston Churchill von der „Russischen Grippe” inspiriert -poetisch die Verbreitung und die Auswirkungen einer weltweiten Pandemie.

2020 beschreibt Brenton Broadstock eine ebensolche und übersetzt seine von der Corona-Pandemie inspirierten Gedanken in Musik.

Das Stück beginnt mit einem Urschrei des Chores, der durch das Streichquartett mit wilden Sechzehntelläufen begleitet wird.

Auden

W. H. Audens Gedicht The Age of Anxiety, 1947 als das letzte seiner längeren Werke veröffentlicht, beschäftigt sich mit den Auswirkungen der zunehmenden Industrialisierung auf die menschliche Psyche. Die beschriebene innere Anspannung und Angst angesichts der Automatisierung einst menschlich getriebener Prozesse überträgt Broadstock auf die Gefühlslage der Menschheit zu Zeiten der Corona-Pandemie.

Nach mehrmaligen Rufen im fortissimo entschleunigt sich das Tempo und der Chor beginnt, den ersten von drei eingebundenen Texten zu singen: „Now is the age of anxiety”.

Churchill

Zwischen den Teilen, in denen der Chor das Zeitalter der anxiety besingt, stehen Auszüge aus Winston Churchills Gedicht The Influenza, verfasst 1890.

Der Text beginnt mit der Frage „Wie soll ich die Menge der Übel, die aus dieser Krise gefolgt sind, ausdrücken oder messen“? 

Auf diese vom Chor a cappella gestellte Frage folgt der Versuch einer Antwort, die einen geographischen Ansatz nimmt: Die Pandemie wird über ihre Aus-breitung nachverfolgt, dabei wird der Chor vom pizzicato des Streichquartetts begleitet.

Dabei fällt auf, dass Churchill aus der Perspektive eines Engländers schreibt, für den „seine“ Pandemie, die “Russische Grippe”, bereits in der Vergangenheit liegt. Im Gegensatz dazu die Perspektive des Komponisten: dieser komponiert Pandemic in einer Zeit, als die Corona-Krise noch recht jung und ihr Ende kaum abzuschätzen war. 

Lynn

Den Schluss von Broadstocks Beitrag bildet eine abgeänderte Fassung des Gedichtes What It Cannot Do von Dr. Robert L. Lynn. Ursprünglich war dessen Thema der Kampf gegen Krebs und dessen Ohnmacht im Gegensatz zur menschlichen Hoffnung und dem Mut, sich einer Krankheit entgegenzustellen. Broadstock ersetzt das Wort cancer durch it und überträgt damit den Inhalt auf das Corona-Virus.

Durch gesanglich lineare Bögen entwickelt sich die im fortissimo gesungene -Parole it cannot quench the spirit: die menschliche Zuversicht und sein Enthusiasmus wird durch das Virus nicht gedämpft.

Mit den Worten „It will not quench the spirit” vollzieht sich eine Entwicklung zum Beginn des Stückes, in dem es hieß Now is the age of anxiety”. Aus dem angstvollen, ungewissen Zustand des Jetzt löst sich der optimistische Blick in die Zukunft.

Schluss

Mit dieser Zuversicht bringt sich Broadstock in die Kantate mit ein und bildet damit einen optimistischen Schlusspunkt des Gesamtwerks. 


Texte

The Influenza 

Oh how shall I its deeds recount
Or measure the untold amount
Of ills that it has done?
From China‘s bright celestial land
E’en to Arabia’s thirsty sand
It journeyed with the sun. 

It moved with noiseless tread;
And as it slowly glided by
There followed it across the sky
The spirits of the dead. 

…every bar and barrier failed
To turn it from its way;
Slowly and surely on it came,
Heralded by its awful fame 

Nor adverse winds, nor floods of rain
Might stay the…accursed bane;
And with unsparing hand,
Impartial, cruel and severe
It travelled on allied with fear
And smote the fatherland.
And now Europa groans aloud,
And ‚neath the heavy thunder-cloud
Hushed is both song and dance;
The germs of illness wend their way
To westward each succeeding day

For though it ravaged far and wide
Both village, town and countryside,
Its power to kill was o’er;
And with the favouring winds of Spring…
It left our native shore. 

Winston Churchill 



The Influenza 

Oh, wie soll ich seine Taten aufzählen
Oder die unermessliche Menge
Von Übel, das es getan hat?
Von Chinas hellem himmlischen Land
bis hin zu Arabiens durstigem Sand
reiste es mit der Sonne. 

Es bewegte sich mit
geräuschlosem Schritt;
Und während sie langsam vorbeigleitete
folgten ihm über den Himmel
Die Geister der Toten.
…jedes Hindernis und jede Barriere versagte
um es von seinem Weg abzubringen;
Langsam und sicher kam es weiter,
Angekündigt durch seinen
furchtbaren Ruhm 

Weder widrige Winde, noch Regenfluten
Konnten den verfluchten Fluch aufhalten;
Und mit schonungsloser Hand,
Unbarmherzig, grausam und streng
Zog es mit Furcht verbündet umher
Und schlug das Vaterland.
Und nun stöhnt Europa laut auf,
Und unter der schweren Gewitterwolke
ist Gesang und Tanz verstummt;
Die Keime der Krankheit wandern
Nach Westen mit jedem neuen Tag 

Denn obwohl sie weit und breit wütete
Dorf, Stadt und Land,
war ihre Macht, zu töten, vorbei;
Und mit den günstigen Winden des
Frühling…
verließ es unser heimatliches Ufer.

„What It Cannot Do“  

It is so limited.
It cannot cripple love.
It cannot shatter hope.
It cannot corrode faith. 
It cannot eat away peace.
It cannot destroy confidence.
It cannot kill friendship.
It cannot shut out memories. 
It cannot silence courage.
It cannot quench the Spirit. 

Robert L. Lynn 

“What It Cannot Do“

Es ist so begrenzt.
Es kann die Liebe nicht lähmen.
Es kann die Hoffnung nicht zerstören.
Es kann den Glauben nicht zersetzen.
Es kann den Frieden nicht auffressen.
Es kann das Vertrauen nicht zerstören.
Es kann die Freundschaft nicht töten.
Es kann Erinnerungen nicht ausblenden.
Es kann den Mut nicht
zum Schweigen bringen.
Es kann den Geist nicht auslöschen.